In jahrelanger Forschungsarbeit habe ich alle mir zugänglichen Beschreibungen und Darstellungen von Wirtschaftsverbrechen, auch künstlerischen, sowie die vielfältigen Versuche von Autoren durchforstet, dieses "Phänomen" möglichst rational - also auch theoretisch - zu erklären.
Geschichte als Lehrmeister
Für einen Einsteiger in das Problemfeld Wirtschaftsverbrechen ist es besonders interessant, dass schon in den ältesten Kulturen, zum Beispiel im alten Ägypten und Babylonien, bestimmte Wirtschaftspraktiken, insbesondere der Wucher, oftmals das Zinsnehmen überhaupt, verboten waren. Auch das Alte und das Neue Testament bieten dazu wichtige Informationen. Das Zinsnehmen, der Wucher, ist in allen wirtschaftlich entwickelten Kulturkreisen geregelt. Wo Wucher nicht völlig verboten ist, wird er durch konkret genannte Obergrenzen in - modern ausgedrückt - sozialverträgliche Schranken verwiesen.
Mit solchen Eingriffen moralischer und gesetzgeberischer Instanzen ins Wirtschaftsleben sollte schon in frühen Hochkulturen verhindert werden, dass Mitglieder der eigenen ethnischen und ethischen Gemeinschaften (Sippen, Stämme, Völker, auch mehrere Völker umfassende Kultur- und Rechtskreise) in Not und Elend, zum Beispiel in die gefürchtete Schuldsklaverei geraten. Oder aber es schützten sich die Gesetzgeber selbst vor Wucherzinsen. Denn Pharaonen, Cäsaren, Könige, Fürsten erhoben nicht nur Steuern und verlangten Tribute unterworfener Völker, sie liehen sich (sobald die Geldwirtschaft eine Rolle spielte) auch Geld von den Reichen für ihre Luxusbauten, ihre Kriege und größeren Staatsaufgaben wie den Bau und den Erhalt von Bewässerungssystemen oder Straßen. Auch deshalb hielten sie es für angebracht, politischen Einfluss auf die Zinshöhe zu nehmen und sie nicht "dem Markt" bzw. der Spekulation zu überlassen.
Ähnliche Zins- und Wucherverbote wie im alten Ägypten, Babylon, Israel finden sich später im antiken Griechenland und Rom. Dann im christlich-feudalistischen Mittelalter. Auch der im 7. Jahrhundert aufkommende und sich schnell ausbreitende Islam geht hier keinen Sonderweg. Immer spielen Zins und Zinsverbot eine große Rolle. In der Neuzeit, also seit der Renaissance, als sich (in Oberitalien unter den Medici) erste ausgeprägte Formen des modernen Handelskapitalismus und das für ihn notwendige Kreditwesen auf dem europäischen Festland herausbildeten, gerieten gläubige Christen, die als Geschäftsleute schon grenzüberschreitenden Handel (Fernhandel bis Indien und China) trieben, immer wieder in schwere Gewissensnöte, weil ihnen nicht nur das Zinsverbot, sondern auch viele andere von einem Christen geforderten Beschränkungen seiner wirtschaftlichen Betätigung und privaten Bereicherung im Weg standen. Welcher wirklich gläubige Kaufmann wollte schon wegen des schnöden Mammons sein ewiges Leben aufs Spiel setzen?
Besonders die Zins- und Wucherverbote haben sich bis in unsere Gegenwart erhalten. Sie waren und sind Bestandteil ebenso der offenen kapitalistischen Diktaturen wie der rechtsstaatlichen Gesetzgebung kapitalistischer Demokratien. Das Zins-, insbesonders das Wucherverbot, gehörte vor allem in den vorindustriellen Agrargesellschaften zu den wichtigen Verboten, um Einfluß auf das Wirtschaftsleben, auch auf das Lohnniveau zu nehmen. Übertretungen waren verpönt, also schwere Sünden, nach unseren heutigen Begriffen Straftaten. Die so genannten weltlichen Gesetze haben im Zug der so genannten Säkularisierung viele religiöse Normen die dem friedlichen Zusammenleben der Menschen dienten, übernommen. Wer sich jedoch die Mühe macht, einmal im Hauptwerk des "Vaters" der modernen kapitalistischen Marktwirtschaft, Adam Smith (1723-1790), nachzulesen, wie er das Thema Zins behandelt, wird staunen. Der Begriff Wucher kommt bei ihm nicht vor. Man nimmt zur Kenntnis, dass Smith den Zins nur noch als Preis für ausgeliehenes Geld, als "Kapitalgewinn" behandelt. Fairerweise erinnert er wenigstens an frühere Zinsverbote und Obergrenzen.
In vielen Kulturen galten und gelten - zumindest bei streng Gläubigen - noch immer die Götter oder der eine und einzige Gott als Gesetzgeber. Die von den Herrschenden als heilig erklärten Schriften enthalten deren Gebote und Verbote und fließen - wenngleich an den Zeitgeist und seine Bedürfnisse angepaßt - auch in die "weltlichen" Gesetze (schon des Hammurabi, aber auch in säkularisierte Verfassungen unserer Zeit) ein. Übertretungen werden im Namen der Götter oder des einen Gottes (das heißt, nicht, wie in kapitalistischen Demokratien, im Namen des Volkes) bestraft. Vieles aus archaischen, antiken und mittealterlichen Zeiten (ich habe die großen Kulturen des Fernen Ostens, so wichtig sie für dieses Thema sind, hier vorerst ausgelassen) ist von klugen Denkern kommentiert und auch kritisiert worden. Was sie über die Verbrechen der Reichen und Einflussreichen, die wir Wirtschaftsverbrechen zuordnen würden, gesagt, wie sie diese erklärt, verurteilt oder verharmlost haben, zeigt, dass es immer ein großes, weit über einzelne Staatsordnungen und Wirtschaftssysteme hinausreichendes, aber auch jeden einzelnen betreffendes Thema gewesen ist. Daran hat sich nicht geändert.
Wirtschaftspraxis und Kampf um Eigentumsrechte
In meinen Studien (siehe dazu die Liste meiner Veröffentlichungen) habe ich gelernt, dass es in jeder Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung Wirtschaftsverbrechen im Sinne des Bruches von Geboten, Gesetzen, Regeln gab, die das Wirtschaftsleben betrafen, deren häufige und schwere Verletzungen immer zur Entstehung innergesellschaftlicher Ungleichheit und sozialer Konflikte führten. Wir erfahren dies aus den weithin bekannten und noch immer lehrreichen Mythen, wie denen über die Konkurrenz zwischen dem Ackerbauer Kain und dem Hirten Abel, aber auch aus Berichten über Sklavenaufstände, Standeskämpfe, Revolten, Reformen, Bürgerkriege und Revolutionen sowie Kriegen mit anderen Völkern. Sie hatten ihre Ursachen fast immer in den Kämpfen um Eigentumsrechte, um Versklavung, Ausbeutung und Entmenschlichung der Angehörigen eigener und fremder Bevölkerungen, der Unterdrückung und Zerstörung fremder Kulturen, die zwangsläufig Unmenschlichkeit und Selbstentfremdung der jeweils obsiegenden herrschenden Klassen voraussetzte, die sie, vor allem, wenn sich die Untertanen zur Wehr setzten, in die Extreme trieb.
Alle Versuche, solche Verbrechen rational zu erklären, bezeichne ich zunächst pauschal als „Theorien“, auch wenn es sich um solche aus - nach heutigen Begriffen - vorwissenschaftlichen Zeiten handelt, eher Mytholgien und Legenden sind. Erklärungen, die den in der Neuzeit sehr marktkonformistisch oder naturwissenschaftlich begründeten Anforderungen an Wissenschaftlichkeit und Fachkompetenz nicht genügen, philosophische, soziologische und kriminologische, sogar populärwissenschaftliche, nehme ich dennoch sehr ernst. Deren Autoren erweisen sich oft als klüger, das heißt weitsichtiger, als die vom bürokratischen, technokratischen und kommerzialisierten Wissenschaftsbetrieb "ausgelesenen", deutlicher gesagt, "handverlesenen" Experten. Einblicke in diese "Freiheit der Wissenschaft" hielten mich, den Seiteneinsteiger, von Anfang an davon ab, bei irgendwelchen Wissenschaftspäpsten und renommierten Wissenschaftsverlagen um Anerkennung zu buhlen.
Theorien über Wirtschaftsverbrechen sind seit den frühesten Anfängen bis in unsere Gegenwart unter verschiedensten weltanschaulichen und methodologischen Vorzeichen entstanden. Viele enthalten wichtige, weil immer noch richtige, also über die einzelnen historischen Epochen hinaus gültige Aussagen. Sie können alle zum besseren Verständnis der kriminellen Ökonomie unserer Zeit und damit ihrer wirksameren praktischen Bekämpfung beitragen. Eine allgemeine Theorie, die die verschiedensten Erscheinungsformen dieser Verbrechen unter Berücksichtigung sozialer und ökologischer Aspekte zusammenführt und die dem zum imperialistischen Weltkapitalismus aufgestiegenen politisch-ökonomischen System der mal mehr, mal weniger freien „Marktwirtschaften“ angemessen wäre, gibt es bisher nicht.
Kämpfe um den Begriff Wirtschaftskriminalität
Es lässt sich unter den kapitalfrommen Marktwirtschaftlern (Ökonomen, Juristen, Politikern, Journalisten, Wissenschaftlern, Kulturpäpsten) nicht einmal eine Einigung über einen Begriff von Wirtschaftskriminalität erzielen. Einigen können sie sich allenfalls darauf, dass Wirtschaftsverbrechen der Wirtschaft schaden. Da geht es ja auch nur um systemimmanenten "fairen" Wettbewerb. Daher lassen entschiedene Verteidiger der Freiheit des Eigentums an Produktionsmitteln und anderem Kapital, die sie vor allem von staatlichen Eingriffen und Leuten, die Wirtschaftdemokratie fordern, bedroht sehen, nur zwei Begründungen für die Einführung wirtschaftsstrafrechtlicher Regelungen gelten: Sie sollen den Selbstzerstörungsprozessen der Praxis des Systems entgegenwirken, zugleich aber auch den Systemgegnern, die angeblich einzelne Systemmängel zum Vorwand nehmen, das ganze Wirtschaftssystem in Frage zu stellen, es sogar abschaffen wollen, eine klare Absage erteilen. So formulierte es am 14. Juni 1973 der später tief in den Flick-Parteienspendenskandal verwickelte und wegen Steuerhinterziehung vorbestrafte FDP-Wirtschaftsminister der Regierung des sozialdemokratischen Bundeskanzlers Helmut Schmidt, Hans Friederichs, vor dem Plenum des Deutschen Bundestags.
Nach wie vor herrscht - was die Definition von Wirtschaftskriminalität betrifft - das schon vor mehr als drei Jahrzehnten von Karl-Hans Liebl beklagte „Definitionswirrwarr“. Wer sich in dieses ideologisch bedingte Problem der babylonischen Sprachverwirrung vertieft, wird höchstwahrscheinlich - wie ich auch - zu dem Ergebnis kommen, dass weder von staatlicher noch von unternehmerischer Seite ein Interesse besteht, sich auf eine inhaltlich zutreffende und funktional zuverlässige Definition von Wirtschaftskriminalität zu verständigen. Das würde nämlich erfordern, eine - faktisch nicht mögliche - Abgrenzung zur Organisierten Kriminalität zu konstruieren, also die bislang tapfer aufrecht erhaltene Fiktion aufzugeben, diese Trennung sei nicht nur in der Gesetzgebung und in der Strafverfolgung, wo sie Sinn macht, sondern auch in der Wirklichkeit des Wirtschaftslebens möglich. Das ist sie leider nicht!
Selbstverständlich muss eine „Allgemeine Theorie der Wirtschaftsverbrechen“ nicht nur die vorhandenen historischen Erfahrungen und Überlieferungen, nicht nur die vielfältigen Erscheinungsformen dieser Verbrechen, die - wie Umwelt- und Finanzmarktkriminalität - in unserer Gegenwart dominant sind, sondern auch neuere und künftige Entwicklungen wie die – im weitesten Sinne des Wortes verstandene – Wissenschafts- und Cyberkriminalität unserer zunehmend digitalisierten Produktion und Kommunikation berücksichtigen. Aber der Ehrgeiz der dazu berufenen Historiker, Sozial- und Rechtswissenschaftler, sich an einem wissenschaftlichen Diskurs über eine Theoriebildung in dieser Richtung wenigstens zu beteiligen, hält sich offensichtlich in sehr engen Grenzen. Alle, die sich dazu äußern, schreiben wieder und wieder von irgendwelchen anderen ab, was seit Jahrzehnten dazu geschrieben wurde, dass sich nämlich die Vielfalt und der schnelle Wandel dieser Verbrechen nicht auf einen Nenner bringen ließen. Das bestreite ich!
Es gibt nicht einmal eine sachliche und fachliche Diskussion über die Notwendigkeit einer allgemeinen Theorie der Wirtschaftskriminalität, geschweige den über den Gesamtkomplex Wirtschaftsverbrechen. Man versteht es vielleicht, wenn man einmal überprüft, wie viele Wirtschaftskriminologen oder Kriminalsoziologen, die sich ausschließlich mit dem Thema Wirtschaftskriminalität befassen, es an deutschen und europäischen Universitäten gibt. Man kann sie an einer Hand abzählen. Dagegen gibt es eher zu viele, die sich mit der Alltags- und Ausländerkriminalität, meist unter dem Deckmantel der Forschung über Organisierte Kriminalität und Terrorismus versteckt, oder mit der Bestechlichkeit von Politikern, Abgeordneten und Beamten befassen, die - schlampig definiert - als "Korruption" bezeichnet wird.
Der blinde Fleck auch der kritischen Sozialwissenschaften
Die aktive Bestechungspolitik der Konzerne wird in diesem Rahmen, wenn überhaupt, allenfalls am Rande erwähnt. Kein Wunder, dass sich einige interessierte Journalisten ihre eigenen Theorien zusammenschustern und damit den vorhandenen Theoriebedarf der Bevölkerung mit den abstrusesten Verallgemeinerungen sättigen. Vergessen wird, dass in der Regel besticht, wer Geld hat und sich zu seinem Vorteil die gesetzlichen Hindernisse zur Seite räumen lassen will, die bestimmte Geschäfte aus Gründen der Sicherung des "Allgemeinwohls" und der restlosen Zerstörung des Glaubens der Wählermehrheit an das Ideal der sozialen Gerechtigkeit entweder ganz verbieten oder nur unter Einhaltung von strengen Spielregeln zulassen. Dass auf der anderen Seite - oft sparpolitisch begründet - die erforderlichen Kontrollen nicht durchgeführt werden, beschleunigt allerdings den Vertrauensverlust in Gesetzgeber,Regierung und Justiz.
Die Erkläungsansätze und Definitionen, die ich seit Jahrzehnten in den wissenschaftlichen Diskurs einzubringen versuche, weil sie zu Auseinandersetzungen über Wirtschaftsverbrechen wie zu den notwendigen Theoriedebatten herausfordern, also aus meiner Sicht hervorragend geeignet wären, einen zeitgemäßen Aufklärungsprozess zu fördern, werden entweder - teils durch Unwissenheit, teils absichtlich - missdeutet oder eisern totgeschwiegen. Es gibt so gut wie keine Widerlegungsversuche meines Theorieansatzes. Das wäre wenigstens ein Anfang. Aber nicht nur die ausdrückliche Zustimmung, was noch jedem verständlich ist, der die Rankin-Ideologie von Wissenschaftlern kennt, die Debatte überhaupt wird konsequent verweigert. Das ist im gefährlichsten Sinne des Wortes irrational. Nicht einmal der eindrucksvolle Ansatz zu einer solchen Theorie, den schon 1949 der US-Kriminalsoziologe Edwin H. Sutherland auf Grundlage empirischer Studien unter der Überschrift „White Collar Crime“ lieferte, wurde von den allseits anerkannten Agnostikern unter den Kriminologen und sonstigen Experten anerkannt.
Im Gegenteil: Sutherlands Theorieansatz wurde durch völlig unpolemische "kollegiale Abwertungen" langsam, sicher und sehr weitgehend aus dem wissenschaftlichen Diskurs über Wirtschaftsverbrechen hinausmanövriert. Dankenswerterweise haben die in Washington D.C. arbeitenden investigativen Journalisten Russel Mokhiber und Robert Weissmann, die in der Tradition des Verbraucheranwalts Ralf Nader stehen, das Forschungsdefizit in Sachen "corporate crime" (Konzernkriminalität) thematisiert. Sie haben nicht nur selbst brillante Studien über die Gewaltverbrechen der Konzerne vorgelgt, sondern auch die Lage der gegenwärtigen Wirtschaftskriminologie (Corporate Criminology) heftig kritisiert. Sie verweisen in einem ihrer Bücher auf die kanadische Kriminologin Laureen Snider, die auf dem Kongress zum 50jährigen Bestehen der Amerikanischen Gesellschaft für Kriminologie ein Referat mit der Überschrift hielt: „Die Soziologie der Konzernkriminalität: Ein Nachruf“. (Russel Mokhiber / Robert Weissman, Corporate Predators – The Hunt for Mega-Profits and the Attac on Demokrazy, Common Courage Press, Monroe, Maine, 1999., S.25ff.
Vorsichtiger Optimismus muss sein
Meine Arbeitsmethoden und -ergebnisse, die ich über diese Website an "Expertenklüngeln" und geschlossenen Zitiergesellschaften vorbei einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich und verständlich zu machen versuche, möchte ich als Beitrag verstanden wissen, den Pessimismus, der im "Nachruf" Sniders auf die Wirtschaftskriminologie steckt, mit vorsichtigem Optmistismus in einen "Aufruf", man kann auch sagen, einen "Weckruf" verwandeln.
Es gibt - was jeder daran Interessierte leicht überprüfen kann - seit Erscheinen meines Buches „Kapital-Verbrechen“ (2. Auflage, Frankfurt, April 1992) und der damit in Zusammenhang stehenden Gründung der Bürger- und Menschenrechtsorganisation Business Crime Control (März 1991) zumindest für den deutschsprachigen Raum einen an Sutherland, aber auch an Jean Ziegler und andere herausragende Konzern- und Bankenkritiker anknüpfenden Versuch, eine solche Theorie der Wirtschaftsverbrechen, ich spreche heute lieber von einer Theorie der kriminellen Ökonomie, auf der Grundlage eigener praktischer Erfahrungen und der Teilnahme an politischer Kämpfen gegen Missbrauch wirtschaftlicher Macht zu entwickeln.
Neben der Gründung von Business Crime Control, zahlreichen Publikationen, ungezählten Vorträgen und Beteiligungen an Aktionen und Demonstrationen seien hier nur drei der Höhepunkte dieser politischen und aufklärerischen Kämpfe erwähnt. Es waren die von mir mit initiierten Aktionstage des „Bündnisses gegen Bankenmacht“ (im Juni 2001) und die Aktion „Rettet die U-Bahn“ (zusammen mit Attac und anderen), beide in Frankfurt am Main, sowie die Demonstration zur Freilassung des Whistleblowers Gustl Mollath: „Statt Psychiatrie mehr Demokratie“ vor dem Justizministerium in München.
Diese Website, die den Problemkomplex Wirtschaftsverbrechen theoretisch erschließt und die praktischen Kämpfe, die auch nur annähernd mit dem Thema zu tun haben, kritisch-solidarisch begleitet und unterstützt, gibt es schon seit den frühen 1990er Jahren. Daneben habe ich seit 1993 die vierteljährlich erscheinende Mitgliederzeitschrift gegründet, die anfangs unter dem Titel „BCC-Info“ erschien und seit Heft 4/2004 unter dem Titel „BIG Business Crime“ (kurz: BIG) firmiert. Da meine Nachfolger im Vereinsvorstand sich zu meinem Bedauern von dieser Website getrennt haben, habe ich sie übernommen und betreibe sie nun unabhängig von BCC weiter. Ich betone: Im Geist ihrer Gründergeneration. Nun hat der BCC-Vorstand auch noch den Beschluss gefasst, das Printformat der Zeitschrift "BIG Business Crime" einzustellen und eine Online-Ausgabe als Ersatz anzubieten. Es versteht sich, dass damit für mich als Vereins- und Zeitschriftengründer sowie "BCC-Ehrenvorsitzender" kein Anlass besteht, diese Entwicklung auf dieser Website zu unterstützen. (Hier klicken - (muss noch geschaltet werden) zu meinem Bericht über die lehrreiche Geschichte dieser Website und die Hintergründe der Änderungen).
Eine Theorie der kriminellen Ökonomie ist überfällig
Es sei hier darauf verwiesen, dass es ungezählte, von mir initiierte oder unterstützte Veranstaltungen, Demonstrationen, Diskussionen, theoretische Reflexion auf BCC-Fachtagungen gab, die ausdrücklich der wirtschaftskriminologischen Theoriebildung dienten. Es gab sogar teils heftige, auch gerichtliche, Auseinandersetzungen über Meinungsäußerungen von BCC-Mitgliedern und Mitarbeitern zum Thema, mehrere Bücher, viele Aufsätze und kritische Rezensionen von Büchern, die - soweit sie von mir verfasst wurden, ausnahmslos - im Zeichen der Entwicklung einer allgemeinen Theorie der Wirtschaftsverbrechen dienten. Einen großen Schritt nach vorn bedeutete es, als ich zu der Einsicht gelangte, dass es besser sei, im Zusammenhang mit diesem Ringen um eine kritische Theorie nicht mehr die Wirtschaftskriminalität und die Wirtschaftsverbrechen in den Vordergrund zu rücken, sondern die „kriminelle Ökonomie“.
Damit ist seit einigen Jahren schon eine Abstraktionsebene erreicht, die es jedem ermöglicht, die von mir entwickelten Theoreme an den Theorien der klassischen politischen Ökonomie und deren Kritik durch Marx, Engels und die organisierte internationale Arbeiterbewegung wie auch anhand neuerer und neuester Wirtschafts-, Sozial- und Rechtstheorien (zum Beispiel an J. Habermas: Faktizität und Geltung, einer Diskurstheorei des Rechts) kritisch zu überprüfen. Soweit sie einer solchen Überprüfung standhalten und Karriereerwägungen, die leider oftmals notwendige Einsichten blockieren, es zulassen, müsste es den vielen nach Themen suchenden Nachwuchswissenschaftlern, aber auch den informellen linken und linksliberalen Zirkeln sozialwissenschaftlicher Zitiergemeinschaften, von denen viele zweifelsfrei zu den progressivsten Kräften dieser Gesellschaft gehören und mit meiner uneingeschränkten Unterstützung rechnen können - ohne Ansehensverlust möglich sein, ihre kapitalismuskritischen Diskurse um den bisher ausgeblendeten Bereich der kriminellen Ökonomie zu erweitern.
Wenn dies mit dieser Website gelänge. hätte sie ihren Hauptzweck erfüllt.
Um diesen Schritt - auch dem wissenschaftlichen Nachwuchs - zu erleichtern, habe ich meine theoretischen Überlegungen zu den Verbrechen der Wirtschaft mit historischen Quellen und Erklärungen von meist bekannten Denkern und Dichtern untermauert. Denn schon die Ursprungsmythen verschiedener Kulturen sind voll von anregenden, aufregenden und aufklärenden Hinweisen auf Fakten und Vorstellungen, die die Neuzeit mühelos in die jeweilige „Sozial- und Wirtschaftsgeschichte“ der Kulturen, für die sie stehen, einordnen können. Das gilt auch für die kritischen Äußerungen und Erklärungen, die den Mythen teils schon entwachsenen Schriftsteller noch vorwissenschaftlicher Zeiten gaben. Daher kann es kaum noch überraschen, wenn ich hinzufüge, dass auch die Erkenntnisse und Erfahrungen im Zeitalter der "bürgerlichen" (profitorientierten) und "proletarischen" (auf Existenz, sprich Lohn und Arbeitsrechte fokussierte) Aufklärung, die wir der Neuzeit zuordnen, oft so neu gar nicht sind.
Auch der unaufhaltsame Siegeszug der "exakten" Naturwissenschaften und die auf ihnen beruhenden unglaublichen technischen und medizinischen Fortschritte, die in den letzten Jahrzehnten durch die Digitalisierung des natürlicherweise analogen Lebens noch einmal - scheinbar in Uferlose - gesteigert werden, bleiben letztendlich an die zutiefst in Kulturen (Sprache und Geschichte) der Menschheit verankerten Formen des Denkens, der Empfindungen und der Gefühle gebunden. Die den positiven Wissenschaften immanente Asozialität, so verführerisch sie nahezu jedem erscheint, wenn sie auch noch von Politik, Wirtschaft und Kulturinduistrie ermutigt und belohnt wird, kann nie zur dauerhaften friedlichen Grundlage menschlichen Zusammenlebens, und schon gar nicht des Überlebens der Gattung Mensch werden. Wer auch immer diesen Unsinn propagiert.
Es ist daher aus meiner Sicht ganz sicher: Eine allgemeine, also durch fächerübergreifende kritische Diskurse über empirische Studien vorangetriebene und konsensfähige wissenschaftliche Theorie über Entwicklungen, Strukturen und Folgewirkungen von Wirtschaftsverbrechen, die auch die Ursachen der Asozialistät dieser Verbrechen aufdeckt und damit bekämpfbar macht, ist dringend notwendig. Wie die Medizin ohne zutreffende Diagnosen keine erfolgreichen Therapien anzubieten hätte und in Bereichen, in denen sie noch keine praxisrelevante Diagnose worweisen kann, selbst dümmsten, aber dreisten Quaksalbern großen Entfaltungsraum bietet, bedürfen alle Kräfte der Gesellschaften, die ihr materielles, soziales und psychisches Wohlergehen nicht den Verbrechen der Wirtschaft zu verdanken haben möchten, die Ursachen der Wirtschaftsverbrechen kennen. Zumindest die, die halbwegs begriffen haben, dass es nahezu unmöglich ist, durch eine noch so vernünftige Gesetzgebung die vielen Gefahren, die von der Konzernwirtschaft für Mensch und Natur, Demokratie und Kultur ausgehen, abzuwenden. Das aber muss in absehbarer Zeit gelingen, möglichst bevor die sozialen und ökologischen Systeme durch Vergiftung und Klimawandel zusammenbrechen und der totale Wirtschaftskrieg, der ein Krieg aller gegen alle ist, der Gattung Mensch vorzeitig ein Ende bereitet.
Was heißt heuteAufklärung?
Von der Qualität einer allgemeinen Theorie der kriminellen Ökonomie wird es abhängen, ob die berechtigte Forderung nach mehr Demokratie eine Chance hat, dieses Mehr in die noch immer demokratiefreien Chefetagen der Konzerne hineinzutragen. Schon eine allgemein akzeptierte Theorie kann unmöglich von einem Einzelnen hervor- und zur Geltung gebracht werden. Sie ist immer das Ergebnis einer breiten, und - logischerweise - immer breiter werdenden politischen Bewegung. Die so genannte bürgerliche Aufklärung mit ihrer individualistischen Liberalismustheorie war eine solche. Ist es da und dort immer noch.
Die marxistische, auch proletarisch genannte, Arbeiterbewegung, die eine emanzipatorische Aufklärungsbewegung breitester Massen war, basierte auf einer von den Massen, die ihr ein Klassenbewusstsein vermittelte, mitgetragenen Theorie. Sie sollte man konsequent als zweite Aufklärung bezeichnen. Und nicht als Gegenaufklärung, sondern als Ergänzung der bürgerlichen Aufklärung.
Beiden Aufklärungen und ihren Gesellschafts- und Wirtschaftstheorien verdankt die Menschheit große historische Fortschritte. Die Frage, die beide nicht beantworten konnten oder wollten, ist die nach der Kriminalität der herrschenden Klassen. Die klassischen Marktwirtschaftler setzten auf die Selbstregulation der Marktkräfte. Die klassischen Marxisten auf den Plan und die gesellschaftliche Kontrolle des Eigentums. Beide rechneten nicht mit denen, die sich weder von Gesetzen des Marktes noch von denen einer noch so guten Planbürokratie beeindrucken lassen, sondern sich an den Gesetzen vorbei hemmungslos bereichern und mit ihrem Reichtum Systeme schaffen, in denen sie straflos, weil angeblich im Namen der Volkes oder der Arbeiterklasse, ihre Praxis fortführen oder sogar ihre Räubereien legalisieren lassen können. Das funktioniert besonders reibungslos, wenn es den Tätern gelingt, der Masse den Eindruck zu vermitteln, einen gerechten Anteil von der Beute abzubekommen.
Der absolut freie Markt hat sich als Irrtum herausgestellt. Seine durch alte und neue soziale Bewegungen erzwungene soziale und ökologische Regulierung wird aber von Abenteuerkapitalisten und notorischen Gangstern systematisch unterlaufen. Ebenso aber von seriösen Managern und Aufsichtsratsmitgliedern. Es sind selbstverständlich die Strafgesetze, die den Verbrecher hervorbringen, sagen die Verbrecher. Was aber, wenn Verbrecher soviel Macht und Einfluss gewinnen, dass sie die Gesetze machen und die Regierungen lenken können? Ein solcher Fall tritt keineswegs nur ein, wenn Obristien, Putschisten, Faschisten die Macht ergreifen. Dies kann - wie inzwischen jedes Kind weiß - ebenso geschehen, wenn Linke, wenn Sozialrevolutionäre und führende Köpfe marxistischer Parteien wie Stalin oder Pol Pot die Macht erobern. Ihnen liefern die stets präsenten "Konterrevolutionäre" plausible Gründe, "Säuberungen" in der eigenen Partei oder im "Volk" vorzunehmen, auch wenn diese in Wirklichkeit der Beseitigung von Konkurrenten dienen.
Die berechtigte Frage nach der Bedeutung einer Theorie der kriminellen Ökonomie als Kernbereich einer dritten, postbürgerlichen und postkommunistischen Aufklärung ist, ob die unfassbaren Opfer der natürliche Preis der bisherigen wirtschaftlichen und sozialen Fortschritte waren oder sein mussten, die diese beiden weltgeschichtlich so bedeutsamen Aufklärungen zweifelsfrei mit sic21h brachten? Wenn ja, muss man weiter fragen, ob die garantiert ständig steigenden Preise und sozialen Kosten für diesen Fortschritt (der Zerstörung ganzer Staaten, Sozial- und Wirtschaftsordnungen, Ökosysteme und Klimazonen) auch weiterhin gezahlt werden können. Vor allem, wie lange die Mehrheit der Menschen bereit sind, diese Preise zu zahlen. Die heftigen Kontroversen und Gewaltakte im Zusammenhang mit der Aufnahme von Flüchtlingen (Asylsuchenden) lässt erahnen, dass die bestehenden Methoden der Ausplünderung des blauen Planeten und seiner Bevölkerunngen an ihren Grenzen stoßen.
Beide großen Aufklärungen sind noch immer lebendig, stehen sich als Konkurrenzbewegungen gegenüber. Dies vor allem, weil sich gesellschaftliche Entwicklung nicht gleichzeitig und nicht gleichermaßen in allen Gesellschaften, Staaten und Erdteilen vollzieht und vollziehen kann. Aber die "bürgerliche" Aufklärung, die bekanntlich nur die selbstverschuldete, und die "proletarische", die nur die fremdverschuldete Unmündigkeit überwinden wollte, werden, bei allen Fortschritten, die sie in der bisherigen Geschichte erkämpfen konnten, letztendlich scheitern, soweit sie nicht schon gescheitert sind, wenn sie die kriminelle Seite der Ökonomie, die einfach die anarchische Kehrseite der Wirtschaftsregulierung ist, aber inzwischen schon einem globalen Untergrundkapitalismus hervorgebracht hat, weiterhin als unbedeutenden Nebenwiderspruch behandeln.
Der Untergrundkapitalismus als Nebenwiderspruch ist aber nicht unbedeutender als der Nebenwiderspruch, der inzwischen zum offenen Geschlechterkampf zu eskalieren droht, und nicht unbedeutender, als die Widersprüche zwischen Fremden (Flüchtlingen, Vertriebenen, sonstigen Minderheiten), die sich unter den wirtschaftlichen Krisenbedingungen zu Bürgerkriegen entwickeln können. Die Realisation verschiedener Formen und Inhalte bürgerlicher Aufklärung hat in der bisherigen Geschichte verschiedene Formen bürgerlicher Herrschaft angenommen. In den Frühphasen die eines ungezügelten Wirtschaftsliberalismus (meist offene Diktaturen des noch vorherrschend nationalen Kapitals), später, zur Abwehr von Maximalforderungen der marxistischen Arbeiter- und Gewerkschaftsbewegung, gelang es, einen christlich-liberalen (marktwirtschaftlichen) oder - etwas später - einen sozialdemokratisch, das heißt sozialstaatlich geregelten Kapitalismus zuzulassen.
Wo immer jedoch eine reale oder auch nur eingebildete Gefahr heraufzog, die Arbeiterklasse könne die Staatsgewalt übernehmen, sei es mittels freier Wahlen oder mittels revolutionärer Gewalt, aber auch, um ein deutliches Zeichen der Unantastbarkeit der Kapitalmacht zu setzen, hat die Kapitalistenklasse (mit Hilfe demagogisch fanatisierter Massen) Systeme offener Gewalt installiert. Sie hat Obristenherrschaften, bonapartistische oder faschistische Diktaturen errichtet, ja sie hat, nach meinem Theoriemodell, mit dem Faschismus und anderen Formen von Kapital-Diktaturen den Wirtschaftsverbrechen sogar Verfassungsrang verliehen.
Über das Scheitern des Staatskommunismus
Die proletarische Aufklärung, die Reaktionären und Wirtschaftsliberalen den wichtigsten Vorwand für ihre Repressionspolitik lieferte, weil sie die fremdverschuldete Unmündigkeit, das heißt die kapitalistische Fremdbestimmung der Arbeiterklasse beenden wollte, hat ebenfalls ihr großes humanistisches Ziel verfehlt. Denn es waren nicht nur die vielen äußeren Feinde, die den furiosen revolutionären Start im Jahre 1917 von Anfang an zum Scheitern bringen wollten (zumal deutsche militaristische Reaktionäre diesen Start zunächst einmal ermöglichsten). Es waren auch die "Diebe im Gesetz", wie sie in der UdSSR genannt wurden, das heißt, nicht unerhebliche Teile der sowjetischen Ordnungsmächte selbst, die das System so unattraktiv machten und am Ende zum Einsturz brachten.
Diese kommunistische Periode der Weltgeschichte sollte man rückblickend als nachgeholte "ursprüngliche Akkumulation" unter kommunistischen Vorzeichen betrachten. Die von Marx und Engels prognostizierten sozialistischen Revolutionen fanden nämlich nicht dort statt, wo sie der materialistischen Geschichtstheorie nach hätten stattfinden sollen, können, ja sogar müssen, nämlich in den höchst entwickelten kapitalistischen Staaten mit einem selbstbewussten Industrieproletariat. Nein, sie glangen in den großen, ganze Kontinente umfassenden, damals wie heute noch stark landwirtschaftlich geprägten Staaten wie Rußland (1917) und China (1948). Hier errichteten die kommunistischen Parteien Entwicklungsdiktaturen, die sich gegen innere wie äußere "Feinde" lange Zeit behaupten und in diesem Stresszustand die Masse der Menschen alphabetisieren und an die säkularisierte Moderne heranführen konnte, teil- und zeitweise auch heranzwingen musste.
Doch dies nur so lange, bis sie neben dem nie wirklich nachlassenden äußeren Druck seitens der kapitalistischen Demokratien den inneren nicht mehr regulieren konnten. Die innere, von den kommunistischen Parteien selbst und deren Kadern in der Wirtschaft mit äußerster Härte vorangetriebe Entwicklung trug den wachsenden und auch gehobenen Ansprüchen vor allem der städtischen Bevölkerungen nicht mehr Rechnung. Die staatliche Planwirtschaft musste liberalisiert werden, vorsichtige Privatisierung, Deregulierung und Duldung der fortschreitenden Individualisierung waren nicht aufzuhalten, schließlich wurde der kommunistische Staatssozialismus sie durch eine autoritäre Form des Staatskapitalismus abgelöst. Einen wirtschaftsliberalen Kapitalismus, eine kapitalistische Demokratie wäre, das hatten die Chinesen und Russen im Lauf der imperialistisch-fachistischen Kriege und des Kalten Kriegs begriffen, konnten sie sich nicht leisten, weil sie in kürzester Zeit vom dem verzweifelt nach Anlagemöglichkeit suchenden westlichen Kapital auf- und ausverkauft gewesen wäre.
Eine Dritte Aufklärung ist unausweichlich
Zu erhellen, welche Rolle in diesem Gesamtprozess die Verbrechen der Wirtschaft, vor allem der Kader der Staatskonzerne, spielten, gehört zum Kernbereich dessen, was ich als Dritte Aufklärung bezeichne.
Es ergibt sich, weil nicht nur die Staats- und Wirtschaftstheorien des aufgeklärten Bürgertums, sondern auch der dialektische und historischen Materialismus von Marx, Engels und Lenin (mit der auf industriell noch unterentwickelten Länder zugeschnittenen Auslegung) in seinen staatstheoretischen Teilen und seiner Kritik der politischen Ökonomie diesen einen, wie sich später zeigte, sehr wesentlichen Aspekt der Emanzipation des Menschen, der Überwindung der Fremdbestimmung, nach wie vor ignorieren, unterschätzen oder unterschlagen.
Weder die bürgerlichen noch die sozialistischen Aufklärer nehmen in ihren Gesellschaftsanalysen oder Krisenerklärungen zur Kenntnis, dass es eine Kriminalität der Reichen und der Superreichen, aber auch der mächtigen Produktionsmittelverwalter gibt. Es war Adorno, der sagte wovon eine Theorie absehe, das mache ihre Qualität aus. Wer gegenwärtig sagt: Abgesehen von der kriminellen Seite der heutigen globalisierten Ökonomie, hat der Hunger in der Welt mit der ungerechten Verteilung der weltweit produzierten Nahrungsmittel Güter zu tun, hat zwar recht, blendet aber einen der wichtigsten Faktoren der ungleichen Verteilung von Vermögen und Macht und damit der Ursachen der ungerechten Verteilung aus.
Wer sich für die hier vertretene Dritte Aufklärung interessiert, muss nicht und sollte nicht auf dem "bösen" Kapitalismus allein herumreiten. Denn Wirtschaftsverbrechen gab es, wie schon hervorgehoben, bisher in allen Systemen, in den so geannten hydraulischen Gesellschaften (mit Bewässerungswirtschaft), in antiken Sklavenhaltergesellschaften, im Feudalismus, selbstverständlich im Kapitalismus, aber eben auch im real existierenden Sozialismus. In diesem ist zwar keiner mehr verhungert, aber viele mussten erleben, dass auch hier die Verteilungsgerechtigkeit durch wirtschaftskriminelle Manipultionen unterlaufen wurden und es das Leben kosten konnte, wenn man die kommunistischen Kader, die gegen die sozialistischen Gesetze oder Gesetzmäßigkeiten verstießen, anprangerten. Einem Gleichheitsozialismus oder Kommunismus wird nicht verziehen, was im Kapitalismus, der es wenigstens theoretisch jedem ermöglicht, Ausbeuter zu werden, gerade noch hingenommen wird.
Es ist daher erforderlich, zwar auf das jeweilige System bezogen, aber nicht auf eines festgelegt, alle Bedingungen zu berücksichtigen, die eine Sozialordnung ausmachen, also nicht nur die zweifelsfrei zentrale Bedingung der Eigentumsrechte, die von frei gewählten Parlamenten allen Privatpersonen eingeräumt werden. Denn nicht nur das Privateigentum, auch das Gemeineigentum (zum Beispiel von Genossenschaften) wird von Menschen verwaltet und kann - wenn die notwendigen demokratischen Kontrollen oder mutige Whistleblower fehlen - ohne große Mühe missbraucht werden. Ich werde dazu in den einzelnen Beiträgen Belege bringen.